In der Newsletter-Rubrik TATENDRANG werden vor allem aktuelle Projekte der Zusammenarbeit zwischen der BAfEP und den Übungsstätten vorgestellt. Diesmal weichen wir etwas von dieser Gewohnheit ab und erweitern den Blick: In den Diplomarbeiten, die mittlerweile von allen Schülerinnen bzw. Schülern verfasst werden, muss der Bezug zum Berufsfeld gegeben sein. Mag. Judith Graziadei, Englisch- und Geschichtelehrerin sowie Schulqualitätsbeauftragte an unserer BAfEP, gewährt Einblicke in eine komplexe Herausforderung für alle Beteiligten:

Die Diplomarbeit – Erste Säule der neuen Reife- und Diplomprüfung

Jede Schülerin/ jeder Schüler ist im Rahmen der teilstandardisierten, kompetenzbasierten Reife- und Diplomprüfung verpflichtet, eine Diplomarbeit auf vorwissenschaftlichem Niveau zu verfassen. Im Vergleich zu den VWA in der AHS werden diese Diplomarbeiten in Teams von 2 – 5 Schülerinnen bzw. Schülern geschrieben. Diese intensive Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen soll die Teamfähigkeit und die Kommunikationsbereitschaft der Autorinnen und Autoren unter Beweis stellen.

 

Die gewählte Thematik muss einen Bezug zum Berufsfeld haben und kann in jedem Pflichtgegenstand oder in einer Kombination von 2 Pflichtgegenständen geschrieben werden. Dieser Berufsfeldbezug wird sehr breit gesehen. So können Themen behandelt werden, die direkt mit der Arbeit im Kindergarten, in der Krippe sowie im Hort verbunden sind, aber auch solche, die im weitesten Sinn damit in Zusammenhang stehen. Das Spektrum der behandelten Themen reicht zum Beispiel von Überlegungen zur Garten- oder Innenraumgestaltung von Kindergärten, Kinder- und Jugendliteratur, musikalischer Früherziehung, sportlicher Förderung von Kindern und Jugendlichen in Vereinen, zu Themen wie Kinderarbeit, gesunder Ernährung, und religiöser Kinder- und Jugendarbeit in diversen Pfarren. Schülerinnen und Schüler werden dazu animiert, ein Thema zu wählen, das sie wirklich interessiert, in das sie sich vertiefen möchten. Die Zusammenarbeit mit außerschulischen Kooperationspartnern (Betrieben/ Institutionen/ NGOs) ist erwünscht. Eine empirische Erhebung in Form von Befragungen, Interviews, Fragebögen und Beobachtungen stellt einen Teil der Arbeit dar.

Die Thematik wird im Laufe der vierten Klasse gewählt, mit der betreuenden Lehrperson abgesprochen und konkretisiert. In der Folge gibt es ein Genehmigungsverfahren an der Schule durch die Direktion und von Seiten der Schulaufsicht durch die Landesschulinspektorin/ den Landesschulinspektor. Sobald das Thema genehmigt ist, beginnt die konkrete Arbeit im Team.

Jede Schülerin/ jeder Schüler bearbeitet einen eigenen Teilaspekt der Arbeit, der dann in der Folge auch gesondert benotet wird. Das heißt, am Schluss des Prozesses gibt es keine Gesamtnote für die Arbeit, sondern pro Teammitglied eine individuelle Note. Dazu bedarf es einer klaren Prozessdokumentation, die klarlegt, welche Leistung die jeweilige Schülerin/ der jeweilige Schüler gebracht hat. Am Beginn der Arbeit steht die Recherche im Mittelpunkt. Durch eine kritische Auseinandersetzung mit vorliegender Fachliteratur und einer empirischen Erhebung werden die inhaltlichen Grundlagen erarbeitet. Im Anschluss erfolgt das Verfassen der Arbeit nach vorwissenschaftlichen Kriterien. Verwendete Literatur muss zitiert werden, um eigene und fremde Inhalte voneinander klar zu trennen. Jedes Teammitglied verfasst zwischen 20 und 25 Seiten. Zusammen ist das Team für den „roten Faden“ der Arbeit verantwortlich. Das bedeutet, dass es eine gemeinsame Einleitung, Übergänge zwischen den individuellen Teilen und ein Resümee geben muss. Ebenso wird ein englischsprachiges Abstract verfasst.

Während dieser Arbeit in der vierten und fünften Klasse wird das Team intensiv von einer betreuenden Lehrperson begleitet. Diese unterstützt die Schülerinnen und Schüler bei der Themenfindung, der Vorbereitungsarbeiten und beim Schreibprozess. Es gibt regelmäßige Besprechungen außerhalb der Unterrichtszeit, bei denen die Mitglieder bei auftretenden Fragen Unterstützung bekommen.

Im Laufe des zweiten Semesters der fünften Klasse gibt das Team die fertige Arbeit in gebundener und digitaler Form ab. Danach beginnt die Phase der Korrektur durch die betreuende Lehrperson. Als Abschluss findet eine Präsentation und Diskussion der Arbeit vor der Reifeprüfungskommission statt. Jedes Teammitglied präsentiert ihre/seine Ergebnisse (Dauer zwischen 5 und 7 Minuten) und diskutiert im Anschluss die Ergebnisse (ca. 8 bis 10 Minuten). Dabei werden Fragen von der Betreuungsperson und den anderen Mitgliedern der Prüfungskommission gestellt (Vorsitzende/r, Direktor/in, Klassenvorstand/vorständin). Die Note für die Kandidatin/ den Kandidatin setzt sich aus der schriftlichen Arbeit, der Präsentation und der Diskussion zusammen.

Aus den Erfahrungen der ersten beiden Jahrgänge, die diese neue Reife- und Diplomprüfung abgelegt haben, zeigt sich, dass das Verfassen der Diplomarbeit eine große Herausforderung für die Schülerinnen und Schüler darstellt, da die Arbeit gänzlich außerhalb des Unterrichts verfasst werden muss. Es gibt zwar Unterstützung der betreuenden Lehrperson, trotzdem sind die Eigeninitiative und das Engagement jedes einzelnen Teammitglieds gefragt.

Aus diesem Grund bemühen wir uns an unserer Schule um eine Begleitung aller Schülerinnen und Schüler ab der ersten Klasse, damit sie das notwendige Rüstzeug für eine möglichst problemlose Abfassung der Diplomarbeit bekommen. Zusätzlich zu Inhalten, die im Unterricht behandelt werden, findet am Ende jedes Schuljahres ein „Projekttag Diplomarbeit“ statt, an dem alle Klassen – von der ersten bis zur vierten – an relevanten Themen wie Präsentationstechniken, Zitierweisen und Finden und Bearbeiten von geeigneten Internetquellen arbeiten. Ebenso wird die Universitätsbibliothek besucht und den Schülerinnen und Schülern gezeigt, wie man dort Literatur sucht und ausleiht. Auf diese Weise erwerben sie Jahr für Jahr jene wichtigen Kompetenzen, die sie dann zum Abfassen der Arbeit brauchen. Zusätzlich gibt es für die vierten Klassen eine unverbindliche Übung von einer Wochenstunde zum Thema „vorwissenschaftliches Arbeiten“. Es hat sich gezeigt, dass nach all diesen Aktivitäten beeindruckende Leistungen erbracht werden können und die Schülerinnen und Schüler tatsächlich in der Lage sind, die Arbeit eigenständig zu schreiben.

Wenn man Absolventinnen und Absolventen nach der abgelegten Reife- und Diplomprüfung zu ihren Erfahrungen zur Diplomarbeit befragt, hört man häufig, dass die Herausforderung solch eine vorwissenschaftliche Arbeit zu verfassen, sehr groß ist. Andererseits schätzen sie die Möglichkeit, sich intensiv mit einem Thema ihrer Wahl auseinanderzusetzen, sich darin zu vertiefen und über längere Zeit daran zu arbeiten. Für all jene, die nach Abschluss der BAfEP noch eine weitere Ausbildung starten, ist diese Erfahrung von großer Bedeutung, da sie die Grundkompetenzen zum wissenschaftlichen Arbeiten durch das Schreiben der Diplomarbeit schon erworben haben. Alle anderen, die direkt in den Beruf einsteigen, haben sich intensiv mit einem Thema ihres Berufsfeldes auseinandergesetzt und so für ihre zukünftige Arbeit profitiert. Für alle gilt aber das eine: bei dieser gemeinsamen Arbeit mit Kolleginnen und Kollegen können sie ihre erworbenen Kompetenzen, ihre Teamfähigkeit sowie die selbständige Anwendung ihrer Kenntnisse beweisen.

 

Persönlichkeiten werden nicht durch schöne Reden geformt, sondern durch Arbeit und eigene Leistung.

Albert Einstein

 

Dieser Beitrag wurde verfasst von Mag. Judith Graziadei, Lehrerin für Englisch, Geschichte und Sozialkunde, Lernhilfe Englisch, außerdem Schulqualitätsbeauftragte der Kath. BAfEP.